Manchmal bekommt auch ein Museum neue Werke;)

GELB Finale!!!

KAPITEL 11: UND NOCH EINE RUNDE

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Ich sitze auf diesem verdammten Free Fall Tower und habe eine unglaubliche Angst. Noch ist das Teil am Boden und aus einem unerfindlichen Grund habe ich keine Schuhe an. Das verstärkt meine Angst noch. Ich zittere und schwitze und warte darauf, was nun passiert. Ich schaue mich um, kann aber durch den wabernden gelben Nebel nichts erkennen. Ich beginne, die Farbe Gelb zu hassen.

Ich bin komplett festgeschnallt auf meinem Sitz. Keine Chance auf Flucht. Der Tower ist komplett schwarz. Alles in dieser düsteren Farbe gehalten, die so dunkel ist, dass sie unwirklich scheint. Und die Höhe. Ich verrenke meinen Hals, um diese unglaubliche Höhe sehen zu – und schieße unvermittelt in die Luft. Mein Magen presst sich zusammen und ich beginne vor Angst und Verzweiflung laut zu schreien. Das Teil rast mit einer unglaublichen Geschwindigkeit nach oben. Wind fährt mir schmerzhaft ins Gesicht und ich sehe überall den gelben Nebel. Auf einmal stoppt die Bahn. Ich befinde mich ungefähr in der Mitte des Towers. Ich schaue nach unten und mir wird übel. Ich muss jetzt schon über 70 Meter hoch sein. Ich versuche meine Atmung in den Griff zu bekommen und an etwas anderes zu denken, als ich mit voller Wucht runterschnelle. Ich muss mich übergeben, denn diesen freien Fall macht mein Magen nicht mit. So verabschiedet sich alles, was ich die letzte Zeit zu mir genommen habe, in den gelben Nebel und teilweise auf mich. Das ist mir aber total egal, denn ich rase mit voller Geschwindigkeit auf den Boden zu und das Ding macht keinerlei anstalten zu bremsen. Als ich mich schon zerschellen sehe wird abrupt gebremst. Fast muss ich schon wieder kotzen, aber ich kann es zurückhalten.

Nun bin wieder am Boden. Ich versuche, mich zu beruhigen. Versuche zu denken, dass alles nur ein beschissener Traum ist. Dass ich bald wach werde, alle meine Leute und mein Bruder wieder da sind und ich irgendwann über den beschissenen Traum lachen kann. Als ob der Free Fall Tower meine Gedanken lesen kann und mir zeigen will, dass es kein Traum ist, schnelle ich wieder nach oben. Ich kralle mich an der Armlehne fest und lasse es geschehen. Dieses Mal geht es ganz nach oben. Ich lasse sogar den Nebel unter mir und kann den Blick auf einen grünen Mond erhaschen, der mir eine riesen Angst einjagt. Das ist kein normales grün. Solch eine abartige Perversion dieser Farbe habe ich noch nie gesehen. Ich muss wegschauen, da ich sonst den Verstand verliere. Weiter ist am Himmel nichts zu sehen. Keine Sterne. Nur dieser nahezu blasphemische Mond. Das erste Mal seit einiger Zeit bekomme ich einen halbwegs klaren Kopf und überlege mir, wie ich aus der Nummer herauskommen kann. Tatsächlich habe ich eine Idee, die ich direkt in die Tat umsetze. “ICH WAR ES”, schreie ich. Wenn ich mich stelle, wird alles endlich enden. Es werden nicht noch mehr Menschen sterben. Natürlich kann ich selbst mir auch Schöneres vorstellen, als den Tod. Dennoch opfere ich mich, um die anderen zu retten. Wobei ich hoffe, dass der wirkliche Täter seine Strafe noch bekommt. Aber ich ertrage das hier alles nicht mehr.

Übergangslos befinde ich mich wieder am Bierstand. Vor mir stehen ein Bier und ein Schnaps. Der Barkeeper macht eine einladende Handbewegung in Richtung der Getränke und ich stürze beides hinunter.

 

KAPITEL 12: AUS DIE MAUS

 

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“Nein”, sagt der namenlose Barkeeper nur, als ich wieder etwas zur Ruhe gekommen bin. “Wie nein?”, antworte ich verdutzt. “Sie waren es nicht, mein Herr”, kommt die ruhige Antwort. “Woher wollen sie das wissen?”, frage ich ihn und schaue ihn dabei herausfordernd an. “Weil er es mir gesagt hat. Just in dem Moment, als sie sich stellten, mein Herr. Sie sind es nicht gewesen.” Ich gebe dem Barkeeper zu verstehen, dass ich noch ein Herrengedeck möchte und beginne grübelnd zu trinken. Er weiß, dass ich es nicht war. Gut. Dennoch hat die Fahrt hier für mich ein Ende. Vielleicht auch für die anderen. “Wo sind meine Leute?”, frage ich den Wirt. “Hier”, sagt der Wirt nur und auf einmal stehen alle meine Kumpels und sogar mein Bruder am Tresen. Ich renne zu meinem Bruder und nehme ihn in die Arme. Normalerweise wäre das uns beiden sehr unangenehm, aber in diesem Moment ist es genau richtig. “Was war mit Dir?”, frage ich ihn. “Du warst auf einmal nicht mehr da.” “Ich war von der Fahrt auf diesem Free Fall Tower so benommen und fertig, dass ich mich zuerst mal ausruhen musste”, kommt seine Antwort. “Egal, Hauptsache Du lebst”, sage ich und bin sehr glücklich über dieses Glück im Unglück. “Warum sind wir hier und nicht mehr auf diesen … mörderischen Fahrgeschäften?” frage ich den Barkeeper. “Er wollte euch einen Schrecken einjagen und schauen, ob der Mörder den Mut besitzt, sich zu stellen. Dem war leider nicht so. Sie sind der Einzige, der sich gestellt hat, mein Herr.” Alle schauen mich an. “Du hast Dich gestellt”, fragt Achim. “Warum hast Du das getan?” Ich erkläre allen, dass ich wollte, das alles aufhört. Dass ich lieber mein Leben opfern würde, als meine Kumpels alle sterben zu lassen. Alle schütteln die Köpfe, sehen mich aber bewundernd an. “Jedenfalls scheint es nun vorbei zu sein”, sage ich in die Runde und schaue den Wirt fragend an. “Ja”, bestätigt dieser, “es ist vorbei. Auf hoffentlich Nimmer Wiedersehen, meine Herren”, sagt der Wirt und unvermittelt sind wir wieder in Achims Wohnzimmer.

Ich schaue in die Runde und alle sehen verdutzt und fertig, aber auch unglaublich erleichtert aus. Wir sitzen zuerst einmal eine Weile sprachlos da. Achim ergreift schließlich das Wort: “Das war was”, meint er und lässt sich im Sessel zurückfallen. Wir stimmen ihm, stumm nickend, zu. Plötzlich füllt sich der Raum mit gelben Nebel. Wir schauen uns alle verängstigt an. Bevor jemand etwas sagen kann, ertönt Kasims Stimme aus dem Nichts: “ACHIM! Du bist ein böser und feiger Mensch. Du tötest aus niederen Gründen und würdest sogar deine Freunde sterben lassen, damit du unbeschadet davon kommst. Aber das lassen ich und der Gelbe nicht zu. Nun werden dir die Jahre genommen, die du mir genommen hast. Das gibt mir zwar nicht mein Leben zurück und auch nicht meine Freundin. Wegen ihr hattest du mein Auto manipuliert. Einfach erbärmlich. Aber genug geredet. Jetzt wird es Zeit für Taten.” Wir sind alle geschockt. Aber Achim steht die pure Panik ins Gesicht geschrieben. Unvermittelt werden seine Haare grau, seine Haut wird ledrig und alt. Seine Haltung ändert sich, wirkt verkrümmt. Er beginnt zu schreien. Aber das hilft ihm nichts. Er wird immer älter, blasser, schwächer und atmet schwerer. Seine Haut wird fast durchsichtig und man erkennt die Adern darin. Sein Blick wird glasig. Vor uns sitzt nun ein sehr alter Mann, der immer älter wird. “Entschuldigung”, ist das Letzte, was Achim röcheln kann, bevor er stirbt.

 

Gelb, Kapitel 3 + 4

Hey Leute,

da die ersten beiden Kapitel gut ankamen, gibt es nun das dritte und sogar vierte Kapitel von „Gelb“.

Viel Spaß damit:

KAPITEL 3: AUF ZUM FEST

 

Bundesrepublik Deutschland

Saarland

Frühling 1998

 

Mittlerweile haben wir neun Uhr abends und wir sind unterwegs zum Fest mit dem schwungvollen Namen “Tanz (oder Schwanz, wie wir scherzhaft sagen) in den Mai”.

Zum Glück ist es von Achims Wohnung aus nicht so weit zum Fest. Dennoch haben wir uns sicherheitshalber mit Weg-Bieren ausgerüstet, um allen Umständen trotzen zu können.

Das Wetter spielt fabelhaft mit. Wir können die Sterne klar am Himmel sehen, genießen die klare und natürliche Landluft und sind einfach gut drauf.

Wir schließen Wetten über die Schlafdauer von Achim ab, reden über die Dorfprominenz, die wir auf dem Fest erwarten, trinken unsere Weg-Biere und haben Spaß.

Das Weg-Bier fordert seinen Tribut und ich teile meinen Leuten mit, dass ich mal kurz für kleine Anacondas muss. So schlage ich mich durch die Hecken, knöpfe meine Hose auf und erleichtere mich. Ich schließe entspannt die Augen und freue mich auf den weiteren Abend. Auf einen Schlag fährt mir ein gelber Blitz durch die Sinne. Ich kann nicht recht erklären, wie es dazu gekommen ist. Aber ich fühle mich unwohl, ängstlich und schwach. Erschrocken reiße ich die Augen auf und Kasim steht vor mir. Kasim ist ein Türke aus unserer Umgebung. Keiner von uns hat etwas gegen ihn oder gar Ausländer an sich. Wir mögen alle Menschen, solange sie keine Arschlöcher sind. Leider ist Kasim ein Arschloch, aber vor allem ist Kasim tot. Er starb vor ca. einem Jahr bei einem Autounfall. Er fuhr und hatte ca. 3 Promille. Autobahn, auf die Gegenfahrbahn, in die Leitplanken und zack, tot.

Nun starrt er mich an und ich schaue ängstlich zurück. Seine Augen scheinen in mein innerstes vorzudringen und noch weiter. Ich frage ihn was er von mir will. Was zum Teufel er hier überhaupt macht, so als Toter. Er grinst mich an und sagt zu mir, dass ich sehr wahrscheinlich bald sein Schicksal teilen werde. Dann ist er verschwunden.

Ich muss mich jetzt ordnen. Ich nehme tief Luft, schließe erstmal meine Hose. Danach überlege ich, wie viel ich getrunken habe und wie echt diese Erscheinung somit in Wirklichkeit war. Ich weiß es nicht. Ich bin einfach noch zu verwirrt von dem Geschehnis und kann nichts richtig einsortieren. Ich beschließe, die Kasim Szene zu verdrängen und mit viel, sehr viel Alkohol wegzuspülen.

Ich gehe wieder zu den Jungs zurück. “Alter” kommt es von Achim, dessen Schlafbedarf wohl gedeckt ist, “du warst ziemlich lange weg. Hast du dich etwas spontan in dich selbst verliebt? Und dich begattet?” Alle lachen laut und auch ich versuchen einzustimmen. Es gelingt mir nur nicht ganz.

Den restlichen Weg versuche ich mich mit unnötigen Diskussionen abzulenken. Julius behauptet z.B.: ernsthaft, dass Scully gleich Akte X sei und Mulder nur Beiwerk. Ich frage ihn, ob es noch geht. Erkläre ihm, dass Mulder die ganze Serie ausmacht. Den ganzen Charme in die Serie bringt. Er bringt die Serie zum Leben und zum Leuchten. Er ist der scheiß Grund, aus dem die Serie läuft. Irgendwie lege ich meine ganze Verzweiflung, die ich durch Kasim erfahren habe, in diese Diskussion. Als könnte ich das Erlebte wegdiskutieren, wenn ich mich nur genug Mühe geben würde. Julius kontert mit dem Aussehen von Scully: “Sie ist so wunderschön. Ein Augenschmaus, total heiß. Sie spielt klasse und sie macht die Serie aus. Wusstest du, dass es eine Holy Church of Gillian Anderson gibt?”, fragt er mich.

“Es gibt bestimmt auch eine Holy Church of Achims Mutter” kontere ich, “aber nur weil die Alte passabel aussieht, macht sie noch lange nicht die Serie aus.” Achim schaut mich böse an und Julius scheinen weitere Argumente zu fehlen. Um ganz sicher zu gehen, setze ich nach “du kannst dir auch gerne Pornos mit tollen Schlampen anschauen, wenn du nur auf das Äußere stehst, aber das heisst noch lange nicht, dass diese Damen gute Schauspieler in einer scheiß Mystery Serie ersetzen können. Verstehst du?” Ich scheine die Diskussion für mich entschieden zu haben, denn Julius ist ruhig. Achim ist sowieso noch sickig auf mich und Ralf, sowie mein Bruder sehen mich mit stummen Vorwürfen an. Ich schaue ihnen nicht in die Augen, sondern gehe weiter.

Nach einiger Zeit stummen Gehens meldet sich mein Bruder zu Wort, der bisher erstaunlich still war. “Warum sind Titten geil?” höre ich ihn hinter mir sagen. Erschrockenes Gelächter stößt auf, traut man dem “Kleinen” doch gar nicht zu, sich mit der holden Weiblichkeit zu beschäftigen. “Das wirst du nie erfahren, wenn du nur mit Schwänzen spielst” gebe ich lachend zurück. Auch die anderen verfallen in schallendes Gelächter. Es geht mir wieder etwas besser.

Wir gehen den restlichen Weg gemeinsam in einer Reihe und plaudern noch etwas über die Sexualpartner meines Bruders, die Sexualpartner von Achims Mutter und die Sexualpartnerin von Ralf. Es werden gemütliches Spässchen gemacht und ich kriege mich allmählich wieder ein. Aber ganz vergessen kann ich das Erlebnis von vorhin nicht. Es bleibt wie ein dunkler Fleck in meinem Kopf zurück, ich kann daran reiben und putzen wie ich möchte. Ganz verschwindet er leider nicht. So leeren wir unsere Biere, genießen den schönen Abend und bringen unseren Weg zu Ende.

 

KAPITEL 4: DAS FEST

 

Bundesrepublik Deutschland

Saarland

Frühling 1998

 

Wir nähern uns dem Gelände der Festivität und werden direkt von den typischen Geräuschen begrüßt, die solch ein Ereignis mit sich bringt. Laute Musik, noch lauteres Lachen, leise Gespräche und der ein oder andere Schrei dringen zu uns herüber. Optisch wird das Dorfspektakel untermalt durch eine simple Lichtanlage und Lichterketten. Die Nase wird verwöhnt durch den Geruch von Bratwürsten und Schwenkbraten. Verpönt wird sie hingegen mit billigem Parfum und Schweißgeruch, der allzu tanzwütigen. Wir gehen das letzte Stück eine Anhöhe hinauf und kommen schließlich an. Vor uns breitet sich der Festplatz aus. Die eben schon erwähnte Lichtanlage beleuchtet die kleine Tanzfläche, die mit der typsichen Musik unserer Zeit beschallt wird. Da jung und alt sich hier tummeln, wird auf eine ausgewogene Mischung geachtet. Die allgegenwärtigen Bands wie Nirvana, The Offspring, Green Day, Blackeyed Blond und NOFX begeistern das jüngere Publikum. ACDC, Queen, Westernhagen und Co. hingegen lassen die älteren Gesellen auf der Tanzfläche abgehen. So wird gerockt, getanzt, gemoscht und gepogt. Ganz so, wie es sein soll. Weiter vorne erspäht man den zu erwartenden Bierstand und eine kleine Grillbude mit den genannten Bratwürsten und Schwenkbraten. In der Mitte entfachen sich Bierzeltgarnituren, auf denen schwatzende Leute sitzen, die keine Lust haben das Tanzbein zu schwingen. Wir gehen erst einmal zum Bierstand, da unsere Kehlen von der Wanderei etwas trocken geworden sind. “Die erste Runde geht auf mich” teile ich meinen Leuten mit, die glücklich über meine Spendierfreude sind. “Drei Bier und eine Milch” bestelle ich, was mir direkt das Gelächter meiner Leute einbringt und einen vernichtenden Blick meines Bruders. “Spaß. Vier Bier” setze ich hinterher und freue mich grinsend auf den kühlen Gerstensaft vom Fass. Runde um Runde werden wir lustiger und erzählen uns, inspiriert durch die anwesenden Gäste, den neuesten Tratsch. “Kevin ist beim Klauen erwischt worden”, meint Achim, “der Vollidiot hat nicht bemerkt, dass die ganze Zeit in Hausdetektiv in seiner Nähe war”. “Sandra hat schon fast das halbe Dorf durch, die alte Dorfmatratze” erzählt Julius uns belustigt und auch etwas erregt. Was wohl daran liegt, das besagte Sandra uns gegenüber sitzt. Bekleidet mit einem leichten Sommerkleid unter dem man zwar keine Unterwäsche ausmachen kann, aber dafür sonst alles, wofür man ohne Bedenken Eintritt zahlen würde. Geschichten und Anekdoten werden ebenso erzählt, wie diverse Klassiker. Wie fast immer an dieser Stelle erzählt mein Bruder seine Lieblingsstory von mir. Es geht hier um einen Abend oder besser gesagt, eine Nacht. In dieser Nacht, in der alles passieren konnte, ist etwas peinliches passiert. Ich war zuvor mit ein paar Kollegen ein paar Bierchen trinken. Dies wurde nach und nach zu einem Saufgelage. Endlich (wenn auch ohne Erinnerung wie) zu Hause angekommen, wechselte der Alkohol von meinem Magen ins Waschbecken der Küche meiner Eltern über. Leider floss er nicht ab, da sich auch noch andere erbrochene Dinge hinzugesellt hatten. So blieb mir nichts anderes übrig, als  mit der Suppenkelle die Spüle zu leeren und deren Inhalt wiederum in den Müll zu verfrachten. Soweit so gut. Leider hatte mein lieber Bruder die ganze Aktion mitbekommen und sich köstlich dabei amüsiert. Seitdem gehört die Geschichte zu seinem Repertoire und wird mindestens zweimal die Woche erzählt. Meine anfänglichen (naiven) Hoffnungen, dass die Geschichte irgendwann keiner mehr hören wolle, stellten sich als Wunschdenken heraus. Vielmehr entwickelte sie sich zu einem Klassiker, der immer gut ankam. Selbst schuld.

Egal. Mein Bruder erzählt die Geschichte und erntet damit seinen Ruhm für heute Abend. Ich entscheide mich währenddessen, etwas Rum zu ernten und bestelle mir einen solchen. Erstens wegen dem Wortspiel und zweitens, weil mir Kasim einfach nicht aus dem Kopf gehen will. Mittlerweile hat mein Hirn schließlich ein wenig Zeit zum Verarbeiten gehabt. Und anstatt es als alkoholgetriebene Halluzination zu verbuchen, will mein Hirn dem Gesehenen Glauben schenken.  Aber das macht absolut keinen Sinn. Tot ist tot. Und warum zur Hölle, sollte mir ein Toter beim Pissen zuschauen und dumme Sprüche reißen? Warum? Zumal ich zu seinen Lebzeiten nichts mit ihm zu tun hatte. Ich grübele weiter vor mich hin, als ich plötzlich eine weibliche Stimme neben mir höre. “Hi” haucht Sandra, die schon etwas angetrunken ist. “Hi” gebe ich zurück und mustere sie von oben bis unten. Lange blonde Haare umrahmen ein Gesicht, welches mich etwas an Kim Basinger erinnert. Diese fallen auf die Schultern, an denen rosa Spaghettiträger den Beginn ihres Kleides bilden. Das Kleid fällt über zwei freche kleine, aber feste Brüste. Dann weiter über einen flachen Bauch und einen atemberaubenden Po. An den Knien endet es und gibt somit den Blick auf ein tolles Paar Beine frei. Ich frage mich, wie so ein hübsches Ding sich so vielen (teilweise schmierigen, wenn man den Geschichten glauben schenken kann) Männern hingeben kann. “Möchtest du was zu trinken” frage ich sie, während ich sie angrinse. “Einen Sekt” gibt sie, ebenfalls grinsend, zurück. Ich bestelle ein Bier und einen Sekt und versuche, meine Leute mit Blicken und fahrigen Gesten zu verscheuchen. Anscheinend gönnen sie mir die liebe Sandra, denn sie verschwinden nach einiger Zeit. Wir hingegen verfallen ins Plaudern. Sie fragt mich nach meinem Job und lächelt amüsiert, als ich ihr erzähle, dass ich im Reisebüro arbeite. Ich versichere ihr allerdings, dass dies nichts mit meiner sexuellen Gesinnung zu tun hat, worauf sie schelmisch grinst. Sie arbeite als Krankenschwester, erzählt sie mir. Das löst direkt ein höchst erotisches Kopfkino in mir aus. Sie fragt mich, ob ich denn eine Freundin habe, was ich verneine. “Oh” meint sie “dann haben wir ja beide niemanden” und zwinkert mir zu. So vergehen Bier um Bier und Sekt um Sekt, bis ich mir schließlich ein Herz und ihr an den Hintern fasse. Die erwartete negative Reaktion bleibt zugunsten eines Lächelns aus und ich ziehe sie an der Hand in den Wald. Sie kommt mit. Abgelegen genug für mich bleibe ich stehen und sehe ihr lange in die Augen. Sie erwidert meinen Blick und ich küsse sie. Meine Hände gleiten an ihren Hals und weiter zu ihren Brüsten, wo sie verweilen. Ich massiere die Busen sanft, was ihr ein gurrendes Geräusch aus der Kehle entlockt. Ich lasse meine Hände weiter auf Erkundungstour gehen und meine Zunge ebenso. Schließlich fasse ich all meinen Mut zusammen und streife ihr das Kleid ab. Sie verhindert es nicht und so fällt das Kleid zu Boden… unter dem Gejohle meiner Freunde und meines Bruders. Anscheinend ist Sandra doch kein so leichtes und abgebrühtes Ding, wie man sich erzählt. Sie läuft rot an, streift sich schnell ihr Kleid über und rennt dann weg. Aber nicht ohne mir einen Blick zu schenken, der  mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Diesen Blick gebe ich an meine Leute weiter und das Lachen verstummt. “Dafür saufe ich den Rest des Abends umsonst, ihr Assis”, sage ich und gehe zum Bierstand. Meine Wut und mein Ärger weichen jedoch sehr schnell der Angst, als ich Kasim im Wald zu sehen glaube, der mich aus gelben Augen anstarrt. Ich schließe die Augen, öffne sie wieder und er ist verschwunden. Nun brauche ich erst recht das ein oder andere Bier und vielleicht auch noch den ein oder anderen Schnaps. Also auf Richtung Bar. “So Leute” sage ich, als wir ankommen, “wie wollt ihr das wieder gut machen?”. “Vielleicht treffen wir ja Achims Mutter noch”, meint Julius. Ein trockenes “Fick dich ins Knie” kommt von Achim. Ralf grinst und mein Bruder sieht mich komisch an. Fast so, als würde es ihm leid tun, dass mir die Tour vermasselt wurde. Da ich nicht nachtragend bin und auch meinen Spaß mit Sandra hatte (leider ohne Happy End) beschließe ich, mich endgültig dem Alkohol hinzugeben. Dieser lenkt mich zwar nicht ganz so viel von Kasim ab, wie Sandra, aber es genügte. Feuchtfröhlich geht der Abend weiter und langsam seinem Ende zu.

Wir beschließen, noch eine letzte Runde durch unsere Kehlen rinnen zu lassen. Achim geht diese an den Bierstand für uns erstehen.

Beim letzten Bier philosophieren wir über unser Leben. “Wo siehst Du Dich in 5 Jahren”, frage ich Ralf unvermittelt. Er überlegt kurz und gibt dann zurück: “Hoffentlich nicht mehr in Jane”. Alle lachen und dann beginnt eine Diskussion, die Ralf darin bestärken soll, Jane los zu werden.

Achim, der mit steigendem Alkoholpegel noch mehr dem Alkohol und minder dem Schlaf frönt, beschließt noch eine Runde zu organisieren. Leider ohne Erfolg. Es ist offiziell Feierabend oder Schicht im Schacht, wenn wir es beim saarländischen belassen. Kurz beraten wir uns. Uns stehen mehrere Optionen zur Wahl: nach Saarlouis fahren, leider hat niemand  mehr Geld für Taxi und / oder Kneipenbesuche. Wir könnte auch in den Ort und schauen, was dort noch machbar ist. Leider sind wir zu faul, weiter als nötig zu laufen. Nach langem Hin und Her entscheiden wir uns für die dritte Möglichkeite: per pedes zu Achim, der immer einen vor Bier strotzenden Kühlschrank zu bieten hat. Und vielleicht ist seine Mutter ja auch da. Los geht es.

 

 

#gelb2

Hallo liebe Freunde der schlechten Unterhaltung:)

aufgrund Zeitmangels gibt es heute keine Kolumne. Aber nicht traurig sein, denn dafür gibt es das zweite Kapitel von Gelb. Wer das erste Kapitel noch nicht gelesen hat, kann dies hier nachholen.

Der Text wurde bisher noch nicht lektoriert und korrigiert. Also nicht wundern, wenn sich der ein oder andere Fehler eingeschlichen hat 🙂

Und nun: Viel Spaß und stay tuned!!

KAPITEL 2: VORGLÜHEN

 

Bundesrepublik Deutschland

Saarland

Frühling 1998

 

Frisch geduscht finden wir uns alle in Achims Wohnzimmer zusammen. Achim lebt mit seiner (ziemlich heißen) Mutter alleine in diesem Haus. Ihnen geht es nicht schlecht und so hat Achim alles, was er braucht. Seien es die neuesten technischen Errungenschaften oder einfach “nur” Geld. Ihm fehlt es an nichts. Daher macht es auch immer viel Spaß, bei ihm zu sein. Man ist von vielen Spielereien umgeben und hat ein Gefühl von Freiheit (das hört sich jetzt sehr nach “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” an, aber es ist halt so).

Freiheit hin, Freiheit her, heute wollen wir saufen. Da es erst 18 Uhr ist, also definitiv zu früh um (als coole Jungs) schon auf dem Fest aufzutauchen, entscheiden wir uns für ein Trinkspiel. Der beste Zeitvertreib an sich. Das Spiel nennt sich “Zehnersaufen”. Gespielt wird dies mit einem 64er Blatt. Jeder, der ein Bild zieht (jedes Bild zählt automatisch zehn) – säuft. Jeder, dessen Zahlen auf den Karten in Summe zehn ergeben -säuft. Das Spiel trägt ungemein zur gediegenen Atmosphäre bei und macht auch noch betrunken. Gesoffen wird entweder Schnaps (Summe zehn) oder Bier auf ex (Bild zehn). Besonderheit sind die Asse und Joker. Bei diesen darf man bestimmen, wer was säuft. Ein Traum von einem Spiel. Das Spiel läuft munter und man säuft munter. Nachdem das Gespräch einige Zeit lang an Ralf und Jane hängengeblieben ist, mit den üblichen unfruchtbaren Versuchen, ihn von ihr loszueisen, wechselt Julius schlagartig auf meinen Bruder als Thema. “Mein lieber Aal, wie schaut es eigentlich mit dir und der holden Weiblichkeit aus?” fragt er. “Du bist doch mittlerweile schon voll in dem Alter, in dem man Interesse an Titten und Weibern hat” schließt er lachend. Zwischenzeitlich hat Achim eine Dame gezogen und darf sich ein Bier genehmigen. “Genau Aal” stimmt er danach rülpsend ein “erzähl uns mal davon”. Mein Bruder grinst mich diabolisch an und meint, dass irgendwer in der Familie ja die Stiche machen muss, wenn wir beim Thema Karten spielen bleiben wollen. Alle lachen. Auch ich, denn ein guter Witz ist ein guter Witz. Das Spiel geht weiter und ich ziehe einen Joker. Damit revanchiere ich mich bei meinem Bruder, der dafür einen Schnaps trinken darf.

“Hat eigentlich jemand von Euch Super Metroid unter 2 Stunden durchgespielt” werfe ich in die Runde “umso schneller es unter 2 Stunden geht, umso mehr zieht Samus an Kleidung aus”. “Ich dachte das wäre ein Kerl”, meint Ralf “und außerdem, wie kommt man darauf, so etwas zu versuchen?”. “Easter eggs” sage ich zu ihm “Easter eggs, mein  Freund”. “Ja, irgendeine Art von Eiern muss man ja haben”, meint Achim nach einem Schnaps. Wieder einmal sind alle herzlich am Lachen und ich beschließe, meine Wortwahl sorgfältiger zu treffen.

“Ist deine Mutter eigentlich zu Hause” frage ich Achim und grinse wollüstig in die Runde. “Halt dein Maul, Arschloch” kommt die kurze Antwort, die vom Gelächter aller untermalt wird. “Ich meine ja nur” stichle ich weiter. “Wenn ich kein Bock mehr auf Karten spielen habe, dann wüsste ich was ich sonst tun würde. Wenn sie da ist”. “Du sollst die Schnauze halten”, kommt die Antwort nun definitiv wütend und das Lachen verstummt. Da ich Achim kenne und damit auch die Grenzen der Spässchen, bin ich ruhig. So spielen wir weiter und reden über dies und das. Die Themen beziehen sich hauptsächlich auf Filme und Computerspiele, werden aber mit zunehmendem Alkoholgenuss auch forsch in die weibliche Richtung getrieben. Achim, der schon sehr gut dabei ist, prahlt damit, dass er gerne die Bude für sich alleine hätte, wenn er später mit mindestens zwei Mädels wieder käme. Ralf äußert sich sorgenvoll darüber, dass Jane etwas mitbekommen könnte, wenn wir mit Mädels zu tun haben, worauf mein Bruder laut lachen muss. “Alter” meint er zu Ralf, “was ist dein Problem?” Nur weil wir mit denen reden, machen wir ihnen noch keine Kinder oder so. Chill mal.” Julius und ich grinsen uns während dem Geprahle und den Disputen nur an. META: Nein, wir sind nicht schwul. Wir verstehen uns nur fast blind und wissen, wie die anderen ticken.

Und so wird weiter geredet und weiter getrunken, bis Achim schließlich einschläft. “Oh nein”, meint Julius “nicht schon wieder”. “Du weißt doch, wie er ist”, sage ich. “Wir lassen ihn ausschlafen. Danach ist er wieder fit und wach und er weiß ja, wo er uns findet”. “Ja, er hat noch lange nicht so viel getrunken, dass er einen Blackout hat” stimmt Ralf mir zu.

Gesagt getan. Wir decken Achim zu, malen ihm mit Edding männliche Genitalien ins Gesicht und machen uns auf den Weg zum Fest.

Zur Sicherheit schaue ich noch, ob seine Mutter da ist, damit wir ihr kurz Bescheid geben können. Außerdem kann ich sie dann angaffen. Leider ist sie nicht da, was auch die leere Garage stumm bestätigt. So geht es also weiter auf das Fest.

 

 

…Sorry

Hallo Leute,

leider kam ich diese Woche nicht dazu, eine Kolumne zu schreiben. Bitte nicht böse sein, aber die Vorbereitungen zu meinen Lesungen auf der FaRK und diverse Rezensionen, die ich am Schreiben bin (wird es bald hier geben) haben dies nicht möglich gemacht.

Als Ausgleich gibt es eine Leseprobe von GELB, meiner aktuellen Novelle. Diese ist noch nicht erschienen und noch nicht fertig. Also auch noch nicht lektoriert, … ich bitte, dies zu verzeihen. Los geht es also. Viel Spaß und… STAY TUNED.

Ach so: Alle Namen in dieser Geschichte, sowie die Charaktere, sind natürlich frei erfunden:)

Gelb

 

KAPITEL 1: EIN SCHÖNER TAG

 

Bundesrepublik Deutschland

Saarland

Frühling 1998

Es ist ein schöner Tag, der den Übergang vom Frühling zum Sommer einläutet. Die Luft ist frisch und voller Energie. Die Pflanzen blühen schon seit einiger Zeit. Auch die Vögel und allerlei Insekten zeigen Präsenz. Es ist eine Zeit zum wohlfühlen. Man kann die ersten warmen Sonnenstrahlen genießen. Ein T-Shirt und sogar eine kurze Hose reichen vollkommen aus, um sich dem Tag zu stellen. Und dieser Tag ist toll. Voller Vorfreude und Spaß.

Es ist ein Samstag. So ziemlich der beste Tag in der Woche. Noch besser ist dieser, wenn man am Abend etwas besonderes vor hat. Und so ist es für mich. An dieser Stelle sei ein wenig von mir verraten (META: spiele ich doch so ziemlich die Hauptrolle in dem, was gerade Ihre Augen beschäftigt und im besten Falle positive Reize in Ihrem Hirn hinterlässt).

Ich bin 19 Jahre alt, männlich und höre auf den Namen Sascha. Ja ich weiß, dass es ein Lied der Toten Hosen über diesen Namen gibt. Glauben Sie mir, dass habe ich schon oft gehört. Und ich weiß auch, dass der Name in manchen Ländern auch für Frauen und / oder Hunde genutzt wird. Aber leider kann ich den Namen nicht ändern. Das heißt, ich könnte es bestimmt irgendwie, aber ich spare mir meine Kraft lieber für andere Dinge auf. Ich habe eine Lehre als Reiseverkehrskaufmann (hier sparen wir uns jetzt auch die Witze) absolviert und arbeite im schönen Heusweiler, welches ca. 15 Autominuten von Reisach liegt. Und in Reisbach wohne ich. Genau genommen wohne ich noch bei meinen Eltern, habe jedoch in diesem elterlichen Wohnhaus eine Etage für mich. Nun fast. Mein Bruder, 15 Jahre alt und noch Schüler, hat auch ein Zimmer auf dieser Etage.

Es ist neun Uhr morgens und da ich gestern etwas über die Strenge geschlagen habe, ruhe ich mich noch aus. Ich liege im Bett, eingekuschelt in meine warme Decke und schaue Akte-X. Dabei genieße ich meinen Kaffee, der wohlig riecht und rauche eine Zigarette, deren blauer Duft sich in Richtung Zimmerdecke kräuselt. Die Folge plätschert vor sich hin (irgendwas mit Tunguska habe ich im Hinterkopf) aber ich bin nicht ganz bei der Sache. Ich überlege mir schon, wie es heute Abend wohl wird. Wir haben den 30. April und heute Abend ist “Hexennacht”. Wobei ich mich hier nicht auf das Gruseln freue, dass diese Walpurgisnacht für einige mit sich bringt, sondern viel mehr auf meine Freunde, Frauen und viel Alkohol. Ich beschließe, von Akte-X zu leichterer Kost zu schalten und stelle den Kanal für MTV ein. “Come as you are” raunt Kurt Cobain durch den Röhrenapparat in mein Ohr und er hat recht. Warum sollte ich mich verstellen und mir vormachen, dass ein Partysamstag mit Kaffee beginnen soll. Ich meine, ich liebe Kaffee. Aber es gibt auch besseres. Ich gehe also zum Kühlschrank und genehmige mir mein erstes Bier für heute. Da die Zeit des letzten Alkoholgenusses noch nicht allzu lange her ist, spüre ich bald wieder die wohlige Vertrautheit des leichten benebelt seins. Der Gerstensaft rinnt kühl und frisch meine Kehle hinunter. Herrlich. Ich genieße und rauche. Kurt wird abgelöst von Aqua, die mehr durch das Äußere der Sängerin (wenn man das so nennen kann) überzeugen, als durch musikalische Leistung. Ich entschließe mich daher, lieber den Vorspann von Silent Hill 2 zu starten. Der Titelbildschirm dieses genialen Spiels verändert sich nämlich nach jedem durchspielen. Da ich alle Varianten durch habe, genieße ich die High End Version mit viel Musik und Clips. Das schaue ich mir immer sehr gerne an. Jedoch ist mir nun auch nach ein wenig Gesellschaft. Ich ziehe mir eine Jogginghose und ein T-Shirt über und gehe den Flur entlang, zum Zimmer meines Bruders. Der Dielenboden knarrt, was wahrscheinlich mein baldiges Erscheinen dem geübten Hörer ankündigen wird. Ich klopfe an und will direkt hinein gehen, aber die Tür ist abgesperrt. Zack, Zeh gestoßen. Ich fluche leise.  Drinnen vernehme ich Geräusche und gehe so davon aus, dass die kleine Ratte schon wach ist. “Ey Arschlosch”, rufe ich “hör auf an Dir rumzuspielen und mach die Tür auf.” Natürlich passiert im ersten Moment nichts, er will mich ärgern. So greife ich zu Plan B und gehe die Treppe herunter zum Stromkasten. Hier kümmere ich mich darum, dass die Sicherung für sein Zimmer Probleme bekommt. Direkt höre ich ein wütendes Geräusch von oben und schon steht der kleine neben mir. “Was ist denn” kommt die mürrische Frage. “Ich dachte, wir hängen ein wenig ab, trinken ein paar Bier und freuen uns auf heute Abend”, teile ich ihm grinsend mit. Seine Augen leuchten, da ich ihm gestern Abend noch versichert habe, eher würde ich mich von einem betrunkenen Wiesel begatten lassen, als ihn heute Abend mitzunehmen. Begeistert rennt er nach oben. “Ich habe noch Zigaretten” höre ich ihn rufen, während ich ihm zu meinem Zimmer folge. Dort angekommen, mache ich uns jeweils ein Bier auf und er zündet zwei Zigaretten an. “Silent Hill, äh” meint er mit einem verächtlichen Blick auf den Fernseher. Für ihn gibt es nur Resident Evil und sonst nichts in der Hinsicht. Mir gefällt halt beides. Jedem das seine. “Wer kommt denn heute Abend alles mit” fragt er mich. “Achim, Julius und Ralf”, meine Antwort. Dies sind meine drei besten und ältesten Freunde, mit denen ich schon viel erlebt habe und noch mehr erleben will. Wir verstehen uns prima. Haben denselben Humor (gut) und denselben Frauengeschmack (schlecht). Wir trinken gerne zusammen und reden über alles, was uns Nerds so gefällt. Seien es nun die neuesten Comics, die aktuellen Filme, Computerspiele oder scharfe Chicks. Wir tauschen uns über alles aus. Aktuelles Hauptthema ist jedoch die Freundin von Ralf. Er hat diese nun schon eine Zeit lang und entfernt sich immer mehr von uns. Dies sorgt auf der einen Seite für Gesprächsstoff der nicht so positiven Art (schließlich gehört sein Arsch uns) auf der andere Seite freut es uns aber auch, dass er an diesem Abend nur mit uns abhängt und Frauen draußen bleiben  (außer natürlich dem “Freiwild”, das den Fehler begeht vor Ort zu sein). Achim wechselt seine Freundinnen, wie andere Leute ihre Socken und hat es nicht so mit dem treu sein. Julius und ich sind im Moment solo. Das soll sich natürlich heute Abend ändern. Und wenn es nur für heute Abend ist. Mein Bruder redet wenig mit mir über solche Dinge. Manchmal habe ich den Verdacht, dass er mehr auf seine Kumpels steht, als auf das schwache Geschlecht. Jedem das seine. Aber als guter Bruder reibe ich ihm meine Meinung – zu seinem Mißfallen – natürlich bei jeder Gelegenheit unter die Nase.

“Cool” meint er. “Ich mag die drei Pisser. Auch wenn man Ralf leider nicht mehr so oft sieht.” “Ja” stimme ich ihm zu. “Daher freue ich mich auch, dass er heute Abend am Start sein wird”. “Und wo gehen wir hin?” fragt er mich. “Tanz in den Mai” ist meine klare Antwort. Wo sollten wir auch sonst hingehen? Wir leben in einem Dorf. Busse in die Stadt sind sehr selten. Taxis sind sehr teuer und der Führerschein ist uns zu lieb, um betrunken zu fahren. Eine zeitlang spielten wir mal “Farbe bekennen”. “Farbe bekennen” ging folgendermaßen: wir fuhren in die Diskothek. Jeder trank, was das Zeug hielt. Derjenige, dessen Urin am Ende die dunkelste Farbe hatte, musste heim fahren. Schließlich war dieser ja fast noch nüchtern. Nach einem beinahe Unfall (trotz der Reaktionsfähigkeit eines so gut wie nüchternen Fahrers) entschieden wir uns, dann doch lieber für eine Taxifahrt zu sparen und in der Zwischenzeit daheim einen drauf zu machen. So gab es dann einmal im Monat eine Fahrt nach Saarlouis, der nächsten Stadt bei uns. Die anderen Abende verbrachten wir abwechselnd bei Achim, Julius, Ralf und mir. Die wenigen Feste in unserem Ort waren also immer Höhepunkte, auf die wir uns sehr freuten. So wie heute Abend.

“Tanz in den Mai” wiederholt mein Bruder. “Coool. Schön einen saufen und was klarmachen”. “Kommen Deine Kumpels auch, oder wen willst Du klarmachen” sage ich und heimse mir damit einen bösen Blick ein. In diesem Moment klingelt es an der Tür. Ich renne die Treppe hinunter und sehe die Silhouetten von Achim und Julius draußen stehen. Ich öffne die Tür, sage “zu scheiße” (in Anlehnung an den Film Fight Club. Kennt Ihr die Szenen, in denen die Anwärter für Projekt Chaos ins Haus wollen? Genau der Scheiß) und schlage die Tür wieder zu. Nach einem Moment der Genugtuung öffne ich die Tür wieder und starre in die genervten Gesichter meiner Kumpels. “Witzig”, meint Achim “also beim ersten Mal. Du weißt, dass es beim gefühlt hundertsten Mal nicht mehr so witzig ist?”. Ich grinse und mache die Tür weiter auf. “Hi Leute, kommt rein” höre ich mich sagen und die zwei Helden machen sich auf in den Weg in mein Reich.

“Der Aal” höre ich Julius rufen, der anscheinend meinen Bruder entdeckt hat. Den Spitznamen “Aal” hat dieser sich eingefangen, weil er beim Fußball immer unaufhaltsam dribbelt, quasi aalglatt, wie wir auch dazu sagen. Auch Achim sieht meinen Bruder und die drei begrüßen sich. “Wo ist Ralf” frage ich und bekomme die erwartete Antwort. “Bei seiner Alten natürlich” meint Achim. “Wenn er heute Abend Freigang will, muss er auch etwas dafür tun”, ergänzt Julius“, daher werden wir ihn wahrscheinlich demnächst noch weniger sehen”. “Aber heute Abend ist er uns” sage ich und freue mich noch mehr auf diesen Abend mit meinen Kumpels und meinem Bruder.

“Ich habe eine Idee”, meint Achim belustigt. “Wenn er uns die nächste Zeit sowieso verwehrt wird, dann reissen wir Ralf gleich jetzt aus den Klauen der Irren. Dann haben wir ihn für den Tag und die Nacht”. “Cool”, meine ich. “Dann kommen wir vielleicht noch rechtzeitig zum Fußball”. Fußball ist an dieser Stelle vielleicht etwas überbewertet. Jeden Samstag am frühen Nachmittag trifft sich die Dorfjugend auf dem örtlichen Bolzplatz, zum “Fußball”. Wobei das was geboten wird, eher einem “Idiotenflipper” gleicht, da die meisten Leute nicht spielen können und nur wild um sich schießen. Dies führt dazu, dass der Ball wild über den Platz gehetzt wird und an den einzelnen Personen abprallt oder weitergeschossen wird, wie eine Flipperkugel von einem Bumper im Flipper. Trotzdem macht es uns richtig Spaß, was nicht zuletzt am ordentlichen Bierverbrauch, während des Spielens liegt.

Also machen wir uns auf den Weg, um Ralf aus “den Klauen der Irren zu reissen“, wie Achim es treffend formuliert hat. Der Weg zu Ralf dauert schon ein Stück und so beschließen wir, Achims Auto zu nehmen. Fünf Minuten später stehen wir vor der Tür von Ralfs Eltern und ich betätige die Klingel. Kurz darauf macht Ralf auf und schaut uns entgeistert an. “Hey Leute” stammelt er verlegen “ich dachte es geht erst heute Abend los. Jane und ich schauen gerade gemütlich einen Film.” “Ich kann mir schon denken was für einen”, sagt Achim und nickt in Richtung der Beule, die sich in Ralfs Jogginghose abzeichnet. Dieser wird rot im Gesicht. “Komm schon Alter”, meint Julius. “Dass du heute mit uns raus darfst”, bei dem Wort darfst zuckt Ralf kurz zusammen, “bedeutet doch, dass wir uns demnächst nicht mehr so oft sehen. Also dachten wir uns, dass…” “RAAAAAALFF” schrillt in diesem Moment eine Frauenstimme von oben “wo bleibst Du denn”.

“Ich weiß nicht so recht Jungs”, meint dieser. “Ich habe Jane schließlich versprochen, dass ich den Film mit ihr schaue und wir uns einen schönen Nachmittag machen.” “Ich kümmere mich darum”, sage ich. Und ehe Ralf widersprechen kann, mache ich mich auf den Weg zu Jane. Da Jane und ich nicht gerade die besten Freunde unter Gottes schönem Himmel sind, will ich die Sache schnell hinter mich bringen. Ich gehe zu ihr und sage gerade heraus, was ich denke. “Jane”, beginne ich “du und Ralf verbringt sehr viel Zeit miteinander. Das ist auch gut so, denn schließlich soll Ralf auch üben damit er gut ist, wenn er  mal eine richtige Freundin bekommt”. Ich ernte einen wütenden Blick. “Was ich damit sagen will”, fahre ich fort “ist, dass wir ihn heute gerne ganz für uns hätten. Du hängst Tag und Nacht mit ihm ab. Wir sagen ja auch nichts dagegen. Aber manchmal wollen wir ihn mal ganz für uns haben”. Damit sage ich (in meinen Augen sehr nett) genau das, was alle Freunde mal den festen Freundinnen ihrer Freunde sagen sollten. Zumindest dann, wenn die Situation so ist, wie bei Ralf.

Achims Freundinnen sind wahrscheinlich froh, wenn er mal länger als bis zum Frühstück bleibt, denke ich mir innerlich grinsend. Jane scheint keine Lust auf Ärger zu haben, denn sie schaut mich nur an und sagt “OK”. Kampf gewonnen! Ich eile wieder herunter zu meinen Leuten und verkünde die frohe Nachricht. Alle sind happy, außer Ralf. Er weiß wahrscheinlich schon jetzt, dass das ein Nachspiel für ihn haben wird. Und hier reden wir nicht von dem Nachspiel beim Sex.

Glücklich ziehen wir von dannen in Richtung Bolzplatz. Da der Platz sehr nahe an Ralfs Elternhaus gelegen ist, muss Achim nicht mehr fahren und wir können uns ganz dem “Idiotenflipper mit Biersauce” widmen.  Der Tag verfliegt und schon bald beginnt die Dämmerung.

“Mann bin ich jetzt fertig” stöhnt Achim, der alles gegeben hat (in einem Arbeitszeugnis würde etwas von stets bemüht stehen). “Jo, geiles Spiel”, meint Julius “und der Aal hat seinem Namen mal wieder alle Ehre gemacht”. Wir lachen alle. “Gut” meine ich “dann jeder heim duschen, bei Achim vorglühen und dann ab zur Party”. Mein Bruder und ich beschließen, bei Achim zu duschen, da der Weg nach Hause doch etwas zu weit ist. Julius geht nach Hause, da es nahe gelegen ist. Ralf bittet Achim auch um Dusch-Exil, da er Jane nicht zu schnell wieder begegnen möchte. Das Exil wird ihm natürlich gewährt.